Vorstellungen des Unvorstellbaren
Auch 2023 ist die Vertuschung von sexualisierter Gewalt in der Kirche noch immer ein starkes Machtinstrument. Alle Studien, die in verschiedenen Bistümern dazu bisher in Auftrag gegeben wurden, haben nicht dazu geführt, dass Betroffenen tatsächliche Gerechtigkeit widerfahren ist.
Tiefgreifende Veränderungen für sie lassen auf sich warten. Stattdessen werden Überlebende zu Zeugen „kirchlichen und gesellschaftlichen Versagens“, so Karl Haucke (Betroffener körperlicher, sexualisierter und spiritueller Gewalt in einem katholischen Ordensinternat). Er fordert von der Kirche:
Dazu sind Verbrechen auch so zu benennen. Und es muss klar sein: Das Thema wird nie fertig bearbeitet sein.
Farina Dierker, Dr. phil., Referentin für Frauenseelsorge und Frauenverbandsarbeit in der Abteilung Seelsorge, Bistum Osnabrück; aktiv im Netzwerk „Das Bodenpersonal“
Warum ist es gerade wichtig, das Thema Missbrauch in Zeiten des Krieges zu besprechen? Gewalt und Machtgier hängen eng zusammen: Gewalt findet immer Mitläufer:innen und Kleinredner:innen.
Und viel zu oft gibt es keine Sprache, um das Erlebte zu benennen. Betroffene von Gewalt finden keine Antworten auf ihre Fragen, aber fühlen, dass etwas nicht stimmt. Mauern von Selbsthass, Glaubenszweifel, verlorener Glaubensgemeinschaft, tauben Ohren, getöteten Seelen, einem getöteten Gott werden den Anwesenden bei der Mahnwache vor Augen gestellt.
Es geht um das, was anzuklagen ist. Es geht ums Herausschreien. Es geht ums Überleben. Vielleicht mit heilendem Zorn. Mit einer Stimme des Protests für die, die verstummt sind oder stumm gemacht wurden.
Farina Dierker, Dr. phil., Referentin für Frauenseelsorge und Frauenverbandsarbeit in der Abteilung Seelsorge, Bistum Osnabrück; aktiv im Netzwerk „Das Bodenpersonal“